Die Laki-Spalte – Ein schlechtes Omen?
Heute morgen vermisst der beste Reiseleiter von allen einen wichtigen Beutel mit Elektrik – Reserveakkus von der Kamera, diverse Kabel und son Kram. Verschwunden! Liegen lassen? Verloren? Keine Ahnung. Nach dem Ausfall des Objektivs der zweite harte Einschlag auf dieser Reise. Dafür fehlt mir seit gestern Abend der halbe Zahn – noch liegt der Nerv zum Glück nicht ganz blank. Wo sollte ich hier in der Einöde einen Zahnarzt auftreiben? Ich will versuchen, den Restzahn bis nach Deutschlang zu retten. Steht die Reise etwa unter einem schlechten Stern?
Wir wollten heute doch zur Lakispalte und endlich die Flussquerungen in Angriff nehmen, vor denen ich mich bisher immer gedrückt habe. Sollte ich das lieber lassen, in Anbetracht der letzten Erlebnisse?
Ich weiß um die wunderbaren Gegenden, die ich verpassen würde. Ich weiß auch um die wunderbaren Gefühle nach einem erreichten Ziel – es geschafft zu haben, den Nerven eben nicht nachgegeben zu haben. Also … auf zur Lakispalte!
Markus vergisst glatt das Tanken. Ich denke, er will lieber später woanders tanken. Mist! Na dann muss der Spritt eben beobachtet werden.
Die ersten Km verlaufen in weiten Bögen über hügeliges Grasland. Nach 12 km soll die erste Furt kommen, doch der Bachlauf ist mittlerweile verrohrt. (damals dachte ich noch: Glück gehabt. Heute würde ich „schade“ sagen ;-)) Dafür steht ein kleiner, 1,5 m-Bachlauf von 10 cm Tiefe nicht auf der Karte. Ich eiere heil hinüber, bleibe aber an dem „steilen“ Ufer gegenüber abwürgend hängen. Puh! Die klugen Sprüche von M. brauche ich nicht – weiß ich alles selber – theoretisch zumindest. Aber er macht mir den Vorschlag, lieber hier noch mal umzukehren und zu üben (obwohl ich das Wenden hasse wie die Pest!!!), als später in der „richtigen“ Furt zu versenken. Recht hat er. Also zurück auf Los. Nochmal und nochmal – geschafft. Auf zur nächsten Furt. Die kommt schneller als gedacht, ist aber zum Glück nur 20-30cm tief, weil es die alte, tiefe Furt nicht mehr gibt. Die neue, breite Furt wird von mehreren Wagen gequert. Wir schauen zu und Markus fährt hinterher. AHA! So geht das. Er rumpelt stehend über dicke Steine, spielt mit der Kupplung, die linke Seite kurz vor Ende ist recht tief, aber trotzdem kein Problem. Soll ich? Soll ich nicht? Ich mach’s! Markus: „Bärbels ‚I did it!’, nachdem das rettende – äh – andere Ufer erreicht ist, wird mir unvergessen bleiben.“
Wir nehmen den Spaziergang zum Fagrifoss über den die gerade gequerte Geirlandsa spektakulär ins Tal stürzt in Kauf, bevor wir über vegetationsarme Flächen immer höher holpern. Wir denken, wir sind oben. Die Berge sehen wir nämlich nicht, da die Wolken immer dichter werden. Ein paar Wasserläufe queren wir ohne Federlesen bis wir zur Hellisa kommen. Kein Auto weit und breit – is klar, wenn man die Dosen mal braucht… die Furt ist nicht einzusehen und ebenso wenig einzuschätzen. Gibt es dicke Steine? Tiefes Wasser? Losen Kies? Eine gute Gelegenheit, die jungfräulichen Watstiefel auszuprobieren. Die Starfotos dieser eleganten Outdoorgarderobe fielen leider der Zensur zum Opfer. Erstmal zu Fuß durch. Schließlich ist die Fahrspur festgelegt, ich (mit Mädel) auf der anderen Seite und die Fotos im Kasten, alles ganz easy. Auch für Markus, der sich auf mein Dirigat verlässt. Ich schaue lieber selbst, auch in den folgenden Furten. Ich bin dann wesentlich ruhiger, wenn ich den Weg selber vorher abgegangen bin.
Wir erreichen den Vatnajökull Nationalpark und tauchen in die unifarbene, giftgrüne zerfurchte Landschaft mit schwarzen durchziehenden Lavaspuren und umwabernden Nebelfetzen. Was für eine unglaubliche Welt hier oben existiert. Zum Glück brauchen wir nur der schwarzen Fahrspur zu folgen, sonst wären wir hier verloren. Am Lakiparkplatz unterhalten wir uns mit dem Ranger. Er rät uns, nach dem Rundweg denselben Weg wieder zurück zu fahren ( 😦 ), da uns dort schwierige Furten und ebensolches Gelände erwarten würde. Das Panorama zu ersteigen lohnt nicht. Leider fängt es just in diesem Moment an zu regnen. Also fahren wir „nur“ den Rundweg. Der hat es aber in sich. Ich bin froh um jede einzelne Trainingseinheit in der Vergangenheit. Ich habe kaum einen Blick für die bizarren Vulkankegel, schwarze Lavawüsten, Krater und Farbkombinationen. Immer wieder hält Markus für Fotos an (über die ich mich später diebisch freuen werde). Mich nervt dies in dem Moment nur, weil es mittlerweile heftig regnet und ich an den Rückweg und die vielen, noch verbleibenden Furten denke, die hoffentlich nicht zu stark bei dem Regen ansteigen. Plötzlich stehen wir vor einem namenlosen schnellfließendem Gebirgsbach, der nicht in der Karte stand ( 😦 ). Auweia! Die Zufahrt liegt im Wasser, ist nur autobreit und rechts und links furchtbar tief, in der Mitte aber mit furchtbar dicken Steinen bestückt. Neben der Fahrspur ist der Bach nur 10 cm tief. Dorthin kommen wir aber nur über einen schmalen, glitschigen, moosbewachsenen Damm. Bei strömendem Regen ziehen wir wieder die Wathosen an, weil Markus das Ganze zu heikel ist. Wir schieben zu zweit eine nach der anderen mit schleifender Kupplung rüber. Nur nicht das Mopped versenken! Wenn der Regen nicht wäre, könnte ich bei der Umgebung glatt an Feen und Hexen glauben. Aber mittlerweile klatschnass und durchgefroren will ich nur noch nach Hause. Das Visier dauernd beschlagen, die Brille voller Tropfen, erreichen wir mit ordentlich Schmackes im Blindflug die bekannten Furten. Sie sind schnell und easy gequert, weil sie nicht soviel wie befürchtet gestiegen sind. Nach 100 km durchrütteln und durchschütteln sind wir wieder heil im Tal. Den Kaffee im Cafe um die Ecke haben wir uns redlich verdient. Wo wir einmal da sind, können wir auch gleich zu Abend essen. Später lesen wir, dass genau dieses Lokal im Führer empfohlen wird.
Ein toller Fahrtag. Anstrengend, aber erfolgreich. Stolz streiche ich einen weiteren Punkt auf meiner ToDo-Liste: Furten.